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Multiple Sklerose

Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste immunvermittelte chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Sie ist pathophysiologisch charakterisiert durch mehrortige Demyelinisierungsherde im ZNS mit Verlust von Oligodendrozyten und einem axonalen Schaden. Die genaue Ätiologie der MS ist nicht bekannt [...]
Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste immunvermittelte chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Sie ist pathophysiologisch charakterisiert durch mehrortige Demyelinisierungsherde im ZNS [...]
Stand: 15.04.2018

Definition und Ätiologie

Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste immunvermittelte chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Sie ist pathophysiologisch charakterisiert durch mehrortige Demyelinisierungsherde im ZNS mit Verlust von Oligodendrozyten und einem axonalen Schaden. Die genaue Ätiologie der MS ist nicht bekannt. Vermutlich spielen größtenteils unbekannte exogene Faktoren und eine genetische Prädisposition eine Rolle. Zu den vermuteten begünstigenden Faktoren zählen ein erniedrigter Vitamin D Serumspiegel, eine EBV Infektion und Rauchen.

Epidemiologie

Die MS betrifft überwiegend Frauen (F:M=2-3:1) im gebärfähigen Alter. Der Erkrankungsgipfel liegt um das 28. Lebensjahr. Die Prävalenz in Europa beträgt 30–80/100 000 Einwohner; die jährliche Inzidenz 3,5 – 5/100.000 Einwohner. Die MS tritt vorwiegend in den gemäßigten Breiten nördlich und südlich des Äquators auf. Zum Äquator hin fällt die Prävalenz ab.

Symptome

Die Symptome der MS sind vielfältig. Sie können Ausdruck einer Schädigung jeder zentralnervösen Struktur sein. Im Gegensatz zu vaskulären Läsionen (z.B. hämorrhagische oder ischämische Läsionen) treten diese nicht apoplektiform auf, sondern sind durch eine subakute Entstehung gekennzeichnet. Häufige Frühsymptome entstehen durch Läsionen sensibler Bahnen (Hypästhesie, Parästhesie) und durch Beteiligung des Nervus opticus i.S. einer Retrobulbärneuritis (typischer Weise mit Nebel- oder Schleiersehen und Bulbusbewegungsschmerz). Eine Schädigung der Pyramidenbahn führt zu motorischen Störungen wie einer spastischen Parese mit lebhaften Eigenreflexen und oft positiven Pyramidenbahnzeichen. Die Fremdreflexe sind hingegen oft abgeschwächt oder erloschen (Bauchhautreflex, Cremasterreflex). Das Lhermitte Zeichen bezeichnet Parästhesien bei Kopfbeugung in den Händen und entlang der Wirbelsäule als Zeichen eines Entmarkungsherdes im Bereich der Hinterstränge des zervikalen Rückenmarks. Symptome einer Kleinhirnschädigung werden durch die Charcot Trias beschrieben. Hierzu gehören Nystagmus, Intentionstremor, skandierende Sprache. Weiterhin ist die Ataxie ein wichtiges Symptom einer Kleinhirn- oder auch einer Rückenmarksschädigung im Bereich der Hinterstränge. Eine häufige Okulomotorikstörung ist die internukleäre Ophthalmoplegie durch eine Läsion im Fasciculus longitudinalis medialis. Auch Doppelbilder infolge von Schädigungen der okulomotorischen Hirnnervenkerne (III > VI > IV) können auftreten. Weiterhin können eine Blasenstörung und häufig auch kognitive Beeinträchtigungen und ein chronisches Erschöpfungssyndrom (Fatigue) vorkommen.

Zur Quantifizierung der Behinderung und zur Verlaufsbeobachtung eignet sich die Expanded Disability Status Scale (EDSS), bei welcher die Einschränkungen in den verschiedenen Funktionssystemen des ZNS erfasst werden. Hierzu gehören die Motorik, die Sensorik, die Kleinhirn- und Hirnstammfunktion, als auch die Blasen- und Mastdarmfunktion sowie das Sehen und mentale Funktionen.

Diagnostik

Die Diagnose der MS erfolgt nach den McDonald Kriterien (in der revidierten Fassung von 2010). Hierbei muss eine zeitliche und eine örtliche Dissemination der Erkrankung nachgewiesen werden.

Neben der Anamnese und klinischen Untersuchung, bei welcher insbesondere nach den eben genannten Symptomen gefahndet werden sollte, steht eine apparative Zusatzdiagnostik wie elektrophysiologische Untersuchungen, die Liquordiagnostik und die MRT zur Verfügung.

Die elektrophysiologische Untersuchung zeigt pathologische Verzögerungen der visuell evozierten Potentiale (VEP), der Medianus- und Tibialis-SEP, der akustisch evozierten Potentiale (AEP) und der durch die transkranielle Magnetstimulation gemessenen motorisch evozierten Potentiale

Typische Befunde in der Liquordiagnostik sind eine normale (bei ca. 50%) Zellzahl oder eine leichte lymphozytäre Pleozytose (im Mittel 11/µl, Spannbreite 6-50), sowie der Nachweis einer intrathekalen Immunreaktion, also einer Immunglobulinsynthese im Liquorraum, welche insbesondere durch eine intrathekale IgG-Produktionund positive IgG-oligoklonale Banden (bei >95%) zum Ausdruck kommt.

Mit der MRT lassen sich typischer Weise multifokale Läsionen nachweisen. Prädilektionsstellen für die sogenannten MS Plaques sind der Nervus opticus, das periventrikuläre Marklager, das Kleinhirn, der Hirnstamm und das Rückenmark. Bei Verdacht auf eine MS sollte die MRT-Untersuchung durch eine Sequenz mit Kontrastmittelgabe (Gadolinium) ergänzt werden, da hierdurch eine Unterscheidung von frischen aktiven (Gadolinium aufnehmenden Herden) und alten Entzündungsherden (nehmen kein Gadolinium auf) möglich ist.

Verlaufsformen

-Schubförmig remittierende MS (relapsing remitting MS, RRMS):

Die schubförmig remittierende (remittierend = wiederholt auftretend) MS zeichnet sich durch das Auftreten von eindeutig abgrenzbaren Schüben mit vollständiger oder partieller Rückbildung der Symptomatik aus.

-Sekundär chronisch progrediente MS (SPMS)

Bei der sekundär chronisch progredienten MS geht eine anfänglich schubförmig verlaufende MS in eine chronisch progrediente Form über.

-Primär progrediente MS (PPMS)

Die primär progrediente MS zeichnet sich durch eine von Beginn an, in der Regel langsamen, Zunahme der Krankheitssymptome aus. Schubartige Verschlechterungen lassen nicht abgrenzen. Die PPMS tritt bei Männern und Frauen etwa gleich häufig auf. Das Alter bei Krankheitsbeginn ist höher (38 vs. 28 Jahre). Eine Optikusneuritis als Erstsymptom ist selten. Typisch ist eine Paraparese der Beine mit Nachweis von spinalen Läsionen im MRT.

Definition des MS Schubes

Als MS Schub wird eine neue oder eine Reaktivierung einer bereits zuvor aufgetretenen Symptomatik bezeichnet, welche mindestens 24 Stunden anhält und nicht eher als 30 Tage nach einem vorangegangen Schub auftritt. Weiterhin müssen Schübe von sogenannten Pseudoschüben abgegrenzt werden. Hierzu gehören Krankheitssymptome die bei Erhöhung der Körpertemperatur (Uthoff-Phänomen) auftreten oder im Rahmen systemischer Infekt erklärbar sind.

Differentialdiagnostik

Die Differentialdiagnostik der Multiplen Sklerose zielt auf die Abgrenzung gegenüber anderen immun- bzw. erregervermittelten Enzephalitiden sowie einer Reihe metabolischer Enzephalopathien ab. Diese sind anhand der Bildgebung und des klinischen Verlaufs allein nicht immer sicher zu unterscheiden. Bei Erstdiagnose sollte, sofern der Verdacht auf eine spinale Mitbeteiligung besteht, als Grundlage einer zukünftigen Verlaufsbeurteilung sowie zur Differentialdiagnostik neben einer cerebralen Bildgebgung eine spinale MRT angefertigt werden. Eine ausgeprägte spinale Affektion, insbesondere in Form einer langstreckigen transversen Myelitis über 3 oder mehr Wirbelkörperhöhen, spricht für das Vorliegen einer Neuromyelitis optica.

Die Diagnosekriterien für eine Multiple Sklerose fordern die Affektion in mehr als einem Funktionssystem. Eine subklinische und auch bildgebend nicht nachzuweisende Affektion kann teils elektrophysiologisch durch die Verzögerung evozierter Potentiale gelingen. In der klinischen Routine werden hierzu Motorisch-, Somatosensibel- und vor allem Visuell-Evozierte-Potentiale (d.h. MEP, SSEP, VEP) untersucht.

Zur Abgrenzung anderer immunvermittelter Enzephalitiden ist die Untersuchung auf rheumatologische Erkrankungen von Bedeutung; insbesondere einer Sarkoidose. Hierbei kann sowohl eine Mitbeteiligung des ZNS im Rahmen einer autoimmunologischen Systemerkrankung vorliegen als auch eine isolierte ZNS-Manifestation (z.B. Neurosarkoidose, Neurolupus).

Als rheumatologisches Routinelabor empfiehlt sich die Diagnostik auf: Antinukleäre Antikörper inkl. einem Screening auf Extrahierbare nukleäre Antigene (sog. ENA-Screening), ACE im Serum (bei Sarkoidose erhöht), c-ANCA (Granulomatose mit Polyangiitis), p-ANCA (Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis). Je nach Ergebnis der Antikörperdiagnostik schließt sich ggf. eine weitere Diagnostik an. Bei Verdacht auf eine Neurosarkoidose sollte zudem der lösliche IL-2-Rezeptor in Serum und Liquor bestimmt werden. Besteht der Verdacht auf eine Neuromyelitis optica sollten Anti-Aquaporin-Antikörper bestimmt werden. Insbesondere bei Patienten aus dem Mittleren Osten oder Asien sollte zudem ein M. Behcet in Betracht gezogen werden. Hierbei liegen typischerweise genitale und orale Aphthen, Hautläsionen sowie eine Uveitis vor.

Zur Differenzierung von einer Sarkoidose sollte zudem ein Röntgen-Thorax angefertigt werden, um assoziierte Lungenstrukturveränderung zu erfassen. Ist die Differenzierung weiterhin erschwert bzw. ergeben sich suspekte Lymphknotenschwellungen vereinbar mit einer pulmonalen Sarkoidose, kann eine bronchoalveoläre Lavage mit Bestimmung des CD4-/CD8-Quotienten (bei der Sarkoidose erhöht) bzw. eine transbronchiale Lymphknotenbiopsie helfen die Diagnose zu bestätigen.

Sollten Läsionen nicht sicher von vaskulitischen Läsionen zu unterscheiden sein, so kann eine Angiographie (a.e. i.S. einer invasiven digitalen Subtraktionsangiographie) helfen, nach typischen konzentrischen arteriellen Stenosen, vor allem kleiner Gefäße, zu fahnden. Die Sensitivität der Methode beträgt jedoch nur etwa 60%.

Sind die oligoklonalen Banden positiv und besteht Zweifel an der Diagnose einer Multiplen Sklerose, kann die Bestimmung der MRZ-Reaktion hilfreich sein. Hierbei werden IgG-Antikörperindizes aus Serum und Liquor gegen Masern- („M“), Röteln- („R“) sowie Varizellen- („Z“) Antigene bestimmt. Sind diese signifikant (d.h. AI > 4) erhöht, so spricht dies für eine polyklonale unspezifische Aktivierung des ZNS-Immunsystems vereinbar mit einer Multiplen Sklerose und gegen eine spezifische Antikörperreaktion.

Bezüglich infektiologischer Ätiologien entzündlicher ZNS-Läsionen sollte zumindest eine Borrelien- und Luesserologie aus Liquor und Serum sowie ein HIV-Test erfolgen. Zudem sollte die Diagnostik je nach klinischem Kontext erweitert werden (z.B. Humanes T-Lymphotropes Virus (HTLV) bei einer Myelitis in Endemiegebieten in Japan, Mittel- und Südamerika).

Bleibt trotz genannter Verfahren die Diagnose weiterhin unklar, so kann eine Hirnbiopsie eines repräsentativen Entzündungsherdes notwendig werden. Dies kann insbesondere zur Abgrenzung gegenüber malignen Veränderungen, z.B. Lymphomen oder auch hirneigenen Tumoren, erforderlich sein. In seltenen Fällen sind mehrere Biopsien nötig. Die Invasivität der diagnostischen Maßnahmen muss dabei stets gegenüber dem therapeutischen Nutzen der Untersuchungsergebnisse abgewogen werden.

Therapie

Die Therapie der Multiplen Sklerose unterscheidet sich je nach ihrer Verlaufsform. Zudem wird eine Schubtherapie von einer immunmodulatorischen schubprophylaktischen Therapie unterschieden.

Schubtherapie

Im Falle eines MS-Schubes kann die Gabe von hochdosierten intravenösen Glukokortikoiden die Schubdauer verkürzen. Die Therapie hat jedoch keinen Einfluss auf das Ausmaß der Symptomrückbildung; d.h. nach Ende des Schubes, egal ob durch Steroide verkürzt oder nicht, ist das funktionelle Ergebnis für den Patienten gleich; mit Steroiden wird es nur schneller erreicht. Übliche Schemata beinhalten die Gabe von 1000mg Methylprednisolon i.v. über 3 oder 5 Tage; selten werden auch 2000mg pro Tag gegeben. Eine hochgradige Evidenz für den Mehrwert eines der Regime besteht nicht. Auf Nebenwirkungen hochdosierter Glukokortikoidgaben ist insbesondere bei internistisch vorerkrankten Patienten zu achten, v.a. Diabetiker.

Im Falle fulminanter Schübe kann neben Steroiden zudem eine Plasmapherese bzw. Immunadsorption durchgeführt werden. Dies dient insbesondere der Verhinderung von Komplikationen im Rahmen lang andauernder schwerer Schübe, welche teils intensivmedizinische Maßnahmen verlangen. Nicht immer lassen sich diese jedoch verhindern.

Immunmodulatorische Therapie

Für die schubförmig-remittierende Verlaufsform der Multiplen Sklerose stehen diverse Therapeutika zur Verfügung; im Jahre 2013 wurde zudem eine Vielzahl neuer Medikamente zugelassen. Für die Prophylaxe der primär-progredienten sowie sekundär-progredienten Verlaufsform stehen weit weniger Therapieoptionen zur Verfügung.

Schubförmig remittierende Verlaufsform:

Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfiehlt den Beginn einer verlaufsmodifizierenden Therapie im Falle eines aktiven Krankheitsverlaufs (d.h. 2 funktionell relevante Schübe in 2 Jahren bzw. einem Schub mit schlechter Rückbildung) bzw. bei hoher Läsionslast im MRT (>6 Herde in der kraniellen MRT).

Hierbei bieten sich als Basistherapeutika sowohl Interferon-Beta-Präparate (Rebif®, Betaferon®, Avonex®) als auch Glatirameracetat (Copaxone®) an. Vor Beginn einer Interferontherapie muss eine monoklonale Gammopathie ausgeschlossen werden, da die Kombination ein tödliches Capillary Leak Syndrom verursachen kann. Im Falle der Kombination mit anderen Autoimmunerkrankungen i.S. von Overlap-Syndromen (z.B. Systemischer Lupus Erythematodes und Multiple Sklerose) kann auf Azathioprin bzw. intravenöse Immunglobuline (IVIg) ausgewichen werden. Cyclophosphamid spielt in der MS-Therapie keine regelhafte Rolle; der Einsatz ist nur in Ausnahmefällen MS-Spezialzentren i.S. individueller Heilversuche bei schweren Verlaufsformen vorbehalten.

Im Falle rasch progredienter schubförmiger Verlaufsformen (d.h. >2 Schübe mit Behinderungsprogression in einem Jahr; signifikante Zunahme der T2-Läsionen in 6-12 Monaten) stehen als Eskalationstherapie Fingolimod (Gilenya®) – ein Sphingosin-Analogon - als auch Natalizumab (Tysabri®) – ein Alpha-Integrin-Inhibitor - zur Verfügung. Fingolimod behindert die Freisetzung von Lymphozyten aus Lymphknoten, Natalizumab behindert das Einwandern von Leukozyten in Entzündungsherde. Als 2. Wahl kann Mitoxantron eingesetzt werden, ein nicht-selektives Immunsuppresivum/ Zytostatikum.

Im Jahre 2013 wurden 3 neue Medikamente zugelassen, welche in der aktuellen DGN-Leitlinie noch nicht implementiert sind. Teriflunomid (Aubagio®) und Dimethyl-Fumarat (Tecfidera®) sind als oral einzunehmende Alternative zu den Basistherapeutika zugelassen. Die genaue Rolle von Alemtuzumab (Lemtrada®) – einem CD52-Antiköper - ist bisher nicht klar; am wahrscheinlichsten ist ein Einsatz bei Patienten mit Verlaufsformen, welche auf Basistherapeutika nicht hinreichend ansprechen.

Hinweis zur Therapie mit Interferonen

Gegen Interferone können neutralisierende Antikörper gebildet werden (je nach Präparat ca. 3-30% der Fälle), die die Wirksamkeit einschränken; eine Testung auf diese Antikörper ist möglich, jedoch lediglich indiziert, wenn eine klinisch relevante Entscheidung davon abhängt.

Hinweis zur Therapie mit Natalizumab

Als schwere Komplikation einer Therapie mit Natalizumab ist das Auftreten einer Progressiven Multifokalen Leukenzephalopathie (PML) beschrieben, welche durch das JC-Virus ausgelöst wird. Vor Therapiebeginn mit Natalizumab empfiehlt es sich daher den JCV-Antikörperstatus des Patienten zu überprüfen. Ist dieser positiv, so liegt eine latente, durch das Immunsystem kontrollierte, Infektion mit einem JC-Virus vor. Bei diesen Patienten ist das Risiko an einer PML unter der Therapie zu erkranken deutlich erhöht und sollte nur unter ausführlicher Risiko-Nutzen-Abwägung initiiert werden. Auch eine vorherige immunsupressive Therapie erhöht das PML-Risiko unter Natalizumab.

Hinweis zur Therapie mit Alemtuzumab

Das Potential von Alemtuzumab liegt in der Bindung an die Oberflächen von B- und T-Lymphozyten, was die konsekutive Lyse aller Antikörper-besetzten Lymphozyten auslöst; hiervon wird sich eine Immunrekonstitution mit deutlicher Reduktion der MS-assoziierten Autoimmunität versprochen. Dem gegenüber steht jedoch ein hohes Risiko der Entwicklung anderer Autoimmunerkrankungen sowie einer Immunsupression mit einer erhöhten Anfälligkeit für opportunistische Infektionen.

PPMS

Die DGN-Leitlinie gibt keine Empfehlung zur immunmodifizierenden Therapie der PPMS. Die American Academy of Neurology gibt als empirische Therapieoptionen monatliche Kortisonpulstherapien, Methotrexat, Mitoxantron und Cladribin – ein Adenosin-Analogon und Antimetabolit – an.

SPMS

Differenzierter sind die von der DGN empfohlenen Therapieoptionen für die sekundär chronisch progrediente Verlaufsform. Bei einem stabilen Verlauf unter Interferon-Beta-Therapie, sollte diese fortgesetzt werden. Alternativ steht Mitoxantron bei Krankheitsaktivität zur Verfügung, wobei eine Höchstdosis von 100mg/m² Körperoberfläche wegen seiner Kardiotoxizität besteht. Sollte keine Krankheitsaktivität bestehen, so sollten Kortisonpulstherapien versucht werden.

 Sonderfall Neuromyelitis Optica

Für die Neuromyelitis optica unterscheidet sich das Therapieregime deutlich von dem schubförmiger oder chronisch progredienter MS-Verlaufsformen. Es wird eine überlappende Therapie mit Azathioprin und Prednisolon bis zum Wirkeintritt von Azathioprin nach ca. 2-3 Monaten sowie eine begleitende Therapie mit Rituximab empfohlen.

 Symptomatisch

Neben Therapien, die die Krankheitsaktivität modulieren, existieren eine Vielzahl symptomatischer Therapien, auf die hier nicht vollständig eingegangen werden kann. Zu den häufigsten Zielsymptomen einer symptomatischen Therapie zählen Gangstörungen sowie eine antispastische Therapie. Eine antispastische Therapie kann sowohl durch pharamakologisch systemische Antispastikagabe (v.a. GABA-erge Agonisten wie Baclofen), intrathekale Baclofen- oder Steroidgabe sowie lokal durch Botox-Injektion erfolgen. Zur Beeinflussung einer Gangstörung ist Fampridin (Fampyra®) zugelassen; der genaue Wirkmechanismus ist unklar. Für beide Formen der Funktionseinschränkung spielt die Physiotherapie eine entscheidende Rolle.

Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste immunvermittelte chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Sie ist pathophysiologisch charakterisiert durch mehrortige Demyelinisierungsherde im ZNS mit Verlust von Oligodendrozyten und einem axonalen Schaden. Die genaue Ätiologie der MS ist nicht bekannt. Vermutlich spielen größtenteils unbekannte exogene Faktoren und eine genetische Prädisposition eine Rolle. Zu den vermuteten begünstigenden Faktoren zählen ein erniedrigter Vitamin D Serumspiegel, eine EBV Infektion und Rauchen.

Die MS betrifft überwiegend Frauen (F:M=2-3:1) im gebärfähigen Alter. Der Erkrankungsgipfel liegt um das 28. Lebensjahr. Die Prävalenz in Europa beträgt 30–80/100 000 Einwohner; die jährliche Inzidenz 3,5 – 5/100.000 Einwohner. Die MS tritt vorwiegend in den gemäßigten Breiten nördlich und südlich des Äquators auf. Zum Äquator hin fällt die Prävalenz ab.

Die Symptome der MS sind vielfältig. Sie können Ausdruck einer Schädigung jeder zentralnervösen Struktur sein. Im Gegensatz zu vaskulären Läsionen (z.B. hämorrhagische oder ischämische Läsionen) treten diese nicht apoplektiform auf, sondern sind durch eine subakute Entstehung gekennzeichnet. Häufige Frühsymptome entstehen durch Läsionen sensibler Bahnen (Hypästhesie, Parästhesie) und durch Beteiligung des Nervus opticus i.S. einer Retrobulbärneuritis (typischer Weise mit Nebel- oder Schleiersehen und Bulbusbewegungsschmerz). Eine Schädigung der Pyramidenbahn führt zu motorischen Störungen wie einer spastischen Parese mit lebhaften Eigenreflexen und oft positiven Pyramidenbahnzeichen. Die Fremdreflexe sind hingegen oft abgeschwächt oder erloschen (Bauchhautreflex, Cremasterreflex). Das Lhermitte Zeichen bezeichnet Parästhesien bei Kopfbeugung in den Händen und entlang der Wirbelsäule als Zeichen eines Entmarkungsherdes im Bereich der Hinterstränge des zervikalen Rückenmarks. Symptome einer Kleinhirnschädigung werden durch die Charcot Trias beschrieben. Hierzu gehören Nystagmus, Intentionstremor, skandierende Sprache. Weiterhin ist die Ataxie ein wichtiges Symptom einer Kleinhirn- oder auch einer Rückenmarksschädigung im Bereich der Hinterstränge. Eine häufige Okulomotorikstörung ist die internukleäre Ophthalmoplegie durch eine Läsion im Fasciculus longitudinalis medialis. Auch Doppelbilder infolge von Schädigungen der okulomotorischen Hirnnervenkerne (III > VI > IV) können auftreten. Weiterhin können eine Blasenstörung und häufig auch kognitive Beeinträchtigungen und ein chronisches Erschöpfungssyndrom (Fatigue) vorkommen.

Zur Quantifizierung der Behinderung und zur Verlaufsbeobachtung eignet sich die Expanded Disability Status Scale (EDSS), bei welcher die Einschränkungen in den verschiedenen Funktionssystemen des ZNS erfasst werden. Hierzu gehören die Motorik, die Sensorik, die Kleinhirn- und Hirnstammfunktion, als auch die Blasen- und Mastdarmfunktion sowie das Sehen und mentale Funktionen.

Die Diagnose der MS erfolgt nach den McDonald Kriterien (in der revidierten Fassung von 2010). Hierbei muss eine zeitliche und eine örtliche Dissemination der Erkrankung nachgewiesen werden.

Neben der Anamnese und klinischen Untersuchung, bei welcher insbesondere nach den eben genannten Symptomen gefahndet werden sollte, steht eine apparative Zusatzdiagnostik wie elektrophysiologische Untersuchungen, die Liquordiagnostik und die MRT zur Verfügung.

Die elektrophysiologische Untersuchung zeigt pathologische Verzögerungen der visuell evozierten Potentiale (VEP), der Medianus- und Tibialis-SEP, der akustisch evozierten Potentiale (AEP) und der durch die transkranielle Magnetstimulation gemessenen motorisch evozierten Potentiale

Typische Befunde in der Liquordiagnostik sind eine normale (bei ca. 50%) Zellzahl oder eine leichte lymphozytäre Pleozytose (im Mittel 11/µl, Spannbreite 6-50), sowie der Nachweis einer intrathekalen Immunreaktion, also einer Immunglobulinsynthese im Liquorraum, welche insbesondere durch eine intrathekale IgG-Produktionund positive IgG-oligoklonale Banden (bei >95%) zum Ausdruck kommt.

Mit der MRT lassen sich typischer Weise multifokale Läsionen nachweisen. Prädilektionsstellen für die sogenannten MS Plaques sind der Nervus opticus, das periventrikuläre Marklager, das Kleinhirn, der Hirnstamm und das Rückenmark. Bei Verdacht auf eine MS sollte die MRT-Untersuchung durch eine Sequenz mit Kontrastmittelgabe (Gadolinium) ergänzt werden, da hierdurch eine Unterscheidung von frischen aktiven (Gadolinium aufnehmenden Herden) und alten Entzündungsherden (nehmen kein Gadolinium auf) möglich ist.

-Schubförmig remittierende MS (relapsing remitting MS, RRMS):

Die schubförmig remittierende (remittierend = wiederholt auftretend) MS zeichnet sich durch das Auftreten von eindeutig abgrenzbaren Schüben mit vollständiger oder partieller Rückbildung der Symptomatik aus.

-Sekundär chronisch progrediente MS (SPMS)

Bei der sekundär chronisch progredienten MS geht eine anfänglich schubförmig verlaufende MS in eine chronisch progrediente Form über.

-Primär progrediente MS (PPMS)

Die primär progrediente MS zeichnet sich durch eine von Beginn an, in der Regel langsamen, Zunahme der Krankheitssymptome aus. Schubartige Verschlechterungen lassen nicht abgrenzen. Die PPMS tritt bei Männern und Frauen etwa gleich häufig auf. Das Alter bei Krankheitsbeginn ist höher (38 vs. 28 Jahre). Eine Optikusneuritis als Erstsymptom ist selten. Typisch ist eine Paraparese der Beine mit Nachweis von spinalen Läsionen im MRT.

Als MS Schub wird eine neue oder eine Reaktivierung einer bereits zuvor aufgetretenen Symptomatik bezeichnet, welche mindestens 24 Stunden anhält und nicht eher als 30 Tage nach einem vorangegangen Schub auftritt. Weiterhin müssen Schübe von sogenannten Pseudoschüben abgegrenzt werden. Hierzu gehören Krankheitssymptome die bei Erhöhung der Körpertemperatur (Uthoff-Phänomen) auftreten oder im Rahmen systemischer Infekt erklärbar sind.

Die Differentialdiagnostik der Multiplen Sklerose zielt auf die Abgrenzung gegenüber anderen immun- bzw. erregervermittelten Enzephalitiden sowie einer Reihe metabolischer Enzephalopathien ab. Diese sind anhand der Bildgebung und des klinischen Verlaufs allein nicht immer sicher zu unterscheiden. Bei Erstdiagnose sollte, sofern der Verdacht auf eine spinale Mitbeteiligung besteht, als Grundlage einer zukünftigen Verlaufsbeurteilung sowie zur Differentialdiagnostik neben einer cerebralen Bildgebgung eine spinale MRT angefertigt werden. Eine ausgeprägte spinale Affektion, insbesondere in Form einer langstreckigen transversen Myelitis über 3 oder mehr Wirbelkörperhöhen, spricht für das Vorliegen einer Neuromyelitis optica.

Die Diagnosekriterien für eine Multiple Sklerose fordern die Affektion in mehr als einem Funktionssystem. Eine subklinische und auch bildgebend nicht nachzuweisende Affektion kann teils elektrophysiologisch durch die Verzögerung evozierter Potentiale gelingen. In der klinischen Routine werden hierzu Motorisch-, Somatosensibel- und vor allem Visuell-Evozierte-Potentiale (d.h. MEP, SSEP, VEP) untersucht.

Zur Abgrenzung anderer immunvermittelter Enzephalitiden ist die Untersuchung auf rheumatologische Erkrankungen von Bedeutung; insbesondere einer Sarkoidose. Hierbei kann sowohl eine Mitbeteiligung des ZNS im Rahmen einer autoimmunologischen Systemerkrankung vorliegen als auch eine isolierte ZNS-Manifestation (z.B. Neurosarkoidose, Neurolupus).

Als rheumatologisches Routinelabor empfiehlt sich die Diagnostik auf: Antinukleäre Antikörper inkl. einem Screening auf Extrahierbare nukleäre Antigene (sog. ENA-Screening), ACE im Serum (bei Sarkoidose erhöht), c-ANCA (Granulomatose mit Polyangiitis), p-ANCA (Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis). Je nach Ergebnis der Antikörperdiagnostik schließt sich ggf. eine weitere Diagnostik an. Bei Verdacht auf eine Neurosarkoidose sollte zudem der lösliche IL-2-Rezeptor in Serum und Liquor bestimmt werden. Besteht der Verdacht auf eine Neuromyelitis optica sollten Anti-Aquaporin-Antikörper bestimmt werden. Insbesondere bei Patienten aus dem Mittleren Osten oder Asien sollte zudem ein M. Behcet in Betracht gezogen werden. Hierbei liegen typischerweise genitale und orale Aphthen, Hautläsionen sowie eine Uveitis vor.

Zur Differenzierung von einer Sarkoidose sollte zudem ein Röntgen-Thorax angefertigt werden, um assoziierte Lungenstrukturveränderung zu erfassen. Ist die Differenzierung weiterhin erschwert bzw. ergeben sich suspekte Lymphknotenschwellungen vereinbar mit einer pulmonalen Sarkoidose, kann eine bronchoalveoläre Lavage mit Bestimmung des CD4-/CD8-Quotienten (bei der Sarkoidose erhöht) bzw. eine transbronchiale Lymphknotenbiopsie helfen die Diagnose zu bestätigen.

Sollten Läsionen nicht sicher von vaskulitischen Läsionen zu unterscheiden sein, so kann eine Angiographie (a.e. i.S. einer invasiven digitalen Subtraktionsangiographie) helfen, nach typischen konzentrischen arteriellen Stenosen, vor allem kleiner Gefäße, zu fahnden. Die Sensitivität der Methode beträgt jedoch nur etwa 60%.

Sind die oligoklonalen Banden positiv und besteht Zweifel an der Diagnose einer Multiplen Sklerose, kann die Bestimmung der MRZ-Reaktion hilfreich sein. Hierbei werden IgG-Antikörperindizes aus Serum und Liquor gegen Masern- („M“), Röteln- („R“) sowie Varizellen- („Z“) Antigene bestimmt. Sind diese signifikant (d.h. AI > 4) erhöht, so spricht dies für eine polyklonale unspezifische Aktivierung des ZNS-Immunsystems vereinbar mit einer Multiplen Sklerose und gegen eine spezifische Antikörperreaktion.

Bezüglich infektiologischer Ätiologien entzündlicher ZNS-Läsionen sollte zumindest eine Borrelien- und Luesserologie aus Liquor und Serum sowie ein HIV-Test erfolgen. Zudem sollte die Diagnostik je nach klinischem Kontext erweitert werden (z.B. Humanes T-Lymphotropes Virus (HTLV) bei einer Myelitis in Endemiegebieten in Japan, Mittel- und Südamerika).

Bleibt trotz genannter Verfahren die Diagnose weiterhin unklar, so kann eine Hirnbiopsie eines repräsentativen Entzündungsherdes notwendig werden. Dies kann insbesondere zur Abgrenzung gegenüber malignen Veränderungen, z.B. Lymphomen oder auch hirneigenen Tumoren, erforderlich sein. In seltenen Fällen sind mehrere Biopsien nötig. Die Invasivität der diagnostischen Maßnahmen muss dabei stets gegenüber dem therapeutischen Nutzen der Untersuchungsergebnisse abgewogen werden.

Die Therapie der Multiplen Sklerose unterscheidet sich je nach ihrer Verlaufsform. Zudem wird eine Schubtherapie von einer immunmodulatorischen schubprophylaktischen Therapie unterschieden.

Schubtherapie

Im Falle eines MS-Schubes kann die Gabe von hochdosierten intravenösen Glukokortikoiden die Schubdauer verkürzen. Die Therapie hat jedoch keinen Einfluss auf das Ausmaß der Symptomrückbildung; d.h. nach Ende des Schubes, egal ob durch Steroide verkürzt oder nicht, ist das funktionelle Ergebnis für den Patienten gleich; mit Steroiden wird es nur schneller erreicht. Übliche Schemata beinhalten die Gabe von 1000mg Methylprednisolon i.v. über 3 oder 5 Tage; selten werden auch 2000mg pro Tag gegeben. Eine hochgradige Evidenz für den Mehrwert eines der Regime besteht nicht. Auf Nebenwirkungen hochdosierter Glukokortikoidgaben ist insbesondere bei internistisch vorerkrankten Patienten zu achten, v.a. Diabetiker.

Im Falle fulminanter Schübe kann neben Steroiden zudem eine Plasmapherese bzw. Immunadsorption durchgeführt werden. Dies dient insbesondere der Verhinderung von Komplikationen im Rahmen lang andauernder schwerer Schübe, welche teils intensivmedizinische Maßnahmen verlangen. Nicht immer lassen sich diese jedoch verhindern.

Immunmodulatorische Therapie

Für die schubförmig-remittierende Verlaufsform der Multiplen Sklerose stehen diverse Therapeutika zur Verfügung; im Jahre 2013 wurde zudem eine Vielzahl neuer Medikamente zugelassen. Für die Prophylaxe der primär-progredienten sowie sekundär-progredienten Verlaufsform stehen weit weniger Therapieoptionen zur Verfügung.

Schubförmig remittierende Verlaufsform:

Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfiehlt den Beginn einer verlaufsmodifizierenden Therapie im Falle eines aktiven Krankheitsverlaufs (d.h. 2 funktionell relevante Schübe in 2 Jahren bzw. einem Schub mit schlechter Rückbildung) bzw. bei hoher Läsionslast im MRT (>6 Herde in der kraniellen MRT).

Hierbei bieten sich als Basistherapeutika sowohl Interferon-Beta-Präparate (Rebif®, Betaferon®, Avonex®) als auch Glatirameracetat (Copaxone®) an. Vor Beginn einer Interferontherapie muss eine monoklonale Gammopathie ausgeschlossen werden, da die Kombination ein tödliches Capillary Leak Syndrom verursachen kann. Im Falle der Kombination mit anderen Autoimmunerkrankungen i.S. von Overlap-Syndromen (z.B. Systemischer Lupus Erythematodes und Multiple Sklerose) kann auf Azathioprin bzw. intravenöse Immunglobuline (IVIg) ausgewichen werden. Cyclophosphamid spielt in der MS-Therapie keine regelhafte Rolle; der Einsatz ist nur in Ausnahmefällen MS-Spezialzentren i.S. individueller Heilversuche bei schweren Verlaufsformen vorbehalten.

Im Falle rasch progredienter schubförmiger Verlaufsformen (d.h. >2 Schübe mit Behinderungsprogression in einem Jahr; signifikante Zunahme der T2-Läsionen in 6-12 Monaten) stehen als Eskalationstherapie Fingolimod (Gilenya®) – ein Sphingosin-Analogon - als auch Natalizumab (Tysabri®) – ein Alpha-Integrin-Inhibitor - zur Verfügung. Fingolimod behindert die Freisetzung von Lymphozyten aus Lymphknoten, Natalizumab behindert das Einwandern von Leukozyten in Entzündungsherde. Als 2. Wahl kann Mitoxantron eingesetzt werden, ein nicht-selektives Immunsuppresivum/ Zytostatikum.

Im Jahre 2013 wurden 3 neue Medikamente zugelassen, welche in der aktuellen DGN-Leitlinie noch nicht implementiert sind. Teriflunomid (Aubagio®) und Dimethyl-Fumarat (Tecfidera®) sind als oral einzunehmende Alternative zu den Basistherapeutika zugelassen. Die genaue Rolle von Alemtuzumab (Lemtrada®) – einem CD52-Antiköper - ist bisher nicht klar; am wahrscheinlichsten ist ein Einsatz bei Patienten mit Verlaufsformen, welche auf Basistherapeutika nicht hinreichend ansprechen.

Hinweis zur Therapie mit Interferonen

Gegen Interferone können neutralisierende Antikörper gebildet werden (je nach Präparat ca. 3-30% der Fälle), die die Wirksamkeit einschränken; eine Testung auf diese Antikörper ist möglich, jedoch lediglich indiziert, wenn eine klinisch relevante Entscheidung davon abhängt.

Hinweis zur Therapie mit Natalizumab

Als schwere Komplikation einer Therapie mit Natalizumab ist das Auftreten einer Progressiven Multifokalen Leukenzephalopathie (PML) beschrieben, welche durch das JC-Virus ausgelöst wird. Vor Therapiebeginn mit Natalizumab empfiehlt es sich daher den JCV-Antikörperstatus des Patienten zu überprüfen. Ist dieser positiv, so liegt eine latente, durch das Immunsystem kontrollierte, Infektion mit einem JC-Virus vor. Bei diesen Patienten ist das Risiko an einer PML unter der Therapie zu erkranken deutlich erhöht und sollte nur unter ausführlicher Risiko-Nutzen-Abwägung initiiert werden. Auch eine vorherige immunsupressive Therapie erhöht das PML-Risiko unter Natalizumab.

Hinweis zur Therapie mit Alemtuzumab

Das Potential von Alemtuzumab liegt in der Bindung an die Oberflächen von B- und T-Lymphozyten, was die konsekutive Lyse aller Antikörper-besetzten Lymphozyten auslöst; hiervon wird sich eine Immunrekonstitution mit deutlicher Reduktion der MS-assoziierten Autoimmunität versprochen. Dem gegenüber steht jedoch ein hohes Risiko der Entwicklung anderer Autoimmunerkrankungen sowie einer Immunsupression mit einer erhöhten Anfälligkeit für opportunistische Infektionen.

PPMS

Die DGN-Leitlinie gibt keine Empfehlung zur immunmodifizierenden Therapie der PPMS. Die American Academy of Neurology gibt als empirische Therapieoptionen monatliche Kortisonpulstherapien, Methotrexat, Mitoxantron und Cladribin – ein Adenosin-Analogon und Antimetabolit – an.

SPMS

Differenzierter sind die von der DGN empfohlenen Therapieoptionen für die sekundär chronisch progrediente Verlaufsform. Bei einem stabilen Verlauf unter Interferon-Beta-Therapie, sollte diese fortgesetzt werden. Alternativ steht Mitoxantron bei Krankheitsaktivität zur Verfügung, wobei eine Höchstdosis von 100mg/m² Körperoberfläche wegen seiner Kardiotoxizität besteht. Sollte keine Krankheitsaktivität bestehen, so sollten Kortisonpulstherapien versucht werden.

 Sonderfall Neuromyelitis Optica

Für die Neuromyelitis optica unterscheidet sich das Therapieregime deutlich von dem schubförmiger oder chronisch progredienter MS-Verlaufsformen. Es wird eine überlappende Therapie mit Azathioprin und Prednisolon bis zum Wirkeintritt von Azathioprin nach ca. 2-3 Monaten sowie eine begleitende Therapie mit Rituximab empfohlen.

 Symptomatisch

Neben Therapien, die die Krankheitsaktivität modulieren, existieren eine Vielzahl symptomatischer Therapien, auf die hier nicht vollständig eingegangen werden kann. Zu den häufigsten Zielsymptomen einer symptomatischen Therapie zählen Gangstörungen sowie eine antispastische Therapie. Eine antispastische Therapie kann sowohl durch pharamakologisch systemische Antispastikagabe (v.a. GABA-erge Agonisten wie Baclofen), intrathekale Baclofen- oder Steroidgabe sowie lokal durch Botox-Injektion erfolgen. Zur Beeinflussung einer Gangstörung ist Fampridin (Fampyra®) zugelassen; der genaue Wirkmechanismus ist unklar. Für beide Formen der Funktionseinschränkung spielt die Physiotherapie eine entscheidende Rolle.

  • “Diagnosis of multiple sclerosis in adults”, 2013, UpToDate®;
  • S2e Leitlinie “Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose” aus: Hans-Christoph Diener, Christian Weimar (Hrsg.): Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Herausgegeben von der Kommission "Leitlinien" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Thieme Verlag, Stuttgart, September 2012
  • Neurologie compact: Für Klinik und Praxis von Andreas Hufschmidt, Carl Hermann Lücking und Sebastian Rauer von Thieme, Stuttgart (4. September 2013)
  • Noseworthy et al. Multiple Sclerosis. N Engl J Med 2000; 343:938-952
  • „DIFFERENTIAL DIAGNOSIS“ in „Diagnosis of multiple sclerosis in adults”, Uptodate® 2013
  • Fachinformation Lemtrada®
  • “Treatment of progressive multiple sclerosis in adults”, Uptodate® 2013
Dr. med. Daniel Peters Neurologie
Robert Fleischmann Neurologie
Sarah Mai Viebahn Neurologie