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Endokrinologie
Diabetes mellitus: Diagnostik
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Diabetes mellitus: Diagnostik

Diabetes mellitus bezeichnet eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des Kohlenhydratstoffwechsels, deren Gemeinsamkeit die chronische Hyperglykämie ist. Die Erhöhung des Nüchtern-Blutzuckers und der post-prandialen Blutzuckerwerte kommt dabei entweder durch das komplette Fehlen der körpereigenen Insulinproduktion und damit durch einen absoluten Insulinmangel zustande. Oder es liegt ein relativer Insulinmangel vor [...]
Diabetes mellitus bezeichnet eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des Kohlenhydratstoffwechsels, deren Gemeinsamkeit die chronische Hyperglykämie ist. Die Erhöhung des Nüchtern-Blutzuckers und der post-prandialen Blutzuckerwerte kommt [...]
Stand: 20.09.2017
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Definition

Diabetes mellitus bezeichnet eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des Kohlenhydratstoffwechsels, deren Gemeinsamkeit die chronische Hyperglykämie ist. Die Erhöhung des Nüchtern-Blutzuckers und der post-prandialen Blutzuckerwerte kommt dabei entweder durch das komplette Fehlen der körpereigenen Insulinproduktion und damit durch einen absoluten Insulinmangel zustande. Oder es liegt ein relativer Insulinmangel vor, d.h. die noch vorhandene körpereigene Insulinproduktion reicht aufgrund einer Insulinresistenz der peripheren Gewebe nicht aus. Das Insulin kann in diesem Fall nicht effizient genutzt werden, um die Normoglykämie zu erhalten. Nach der Ätiologie des Diabetes werden 4 Klassen unterschieden.

Klasse 1 erfasst den Insulinmangel-Diabetes subsummiert unter Typ1 Diabetes mellitus. Der Großteil der Typ1-Diabetiker zählt zum Typ1a-Diabetes, dem eine Autoimmunerkrankung zu Grunde liegt. Folge ist die Zerstörung der Betazellen des Pankreas und damit der absolute Insulinmangel. Eine Minderheit leidet an einem Typ1b-Diabetes mit idiopathischem Insulinmangel. Hier wird als Sonderfall auch der „latent autoimmun diabetes in adults“ eingruppiert.

Kategorie 2 beschreibt den Typ2-Diabetes. Er ist eine multifaktorielle Erkrankung, die initial mit einer peripheren Insulinresistenz beginnt. Diese führt dann im zweiten Schritt zur Erschöpfung der körpereigenen Insulinproduktion und mündet bei progredientem Verlauf in die Endstrecke eines Insulinmangeldiabetes.

Kategorie 3 umfasst eine große, heterogene Gruppe anderer Diabetesformen. Darunter fällt der „maturity-onset diabetes of the young“ als monogenetische, autosomal-dominant-erbliche Variante eines Beta-Zell-Defekts mit verschiedenen Subtypen.

Der Gestationsdiabetes, der das erstmalige Auftreten einer diabetischen Stoffwechsellage in der Schwangerschaft beschreibt, bildet die 4. Klasse.

Epidemiologie

Weltweit gibt es derzeit etwa 371 Millionen Diabetiker, d.h. 8,3% der Weltbevölkerung sind betroffen. Die größte klinische Relevanz besitzen dabei der Typ2-Diabetes, der ca. 95% der Fälle stellt, und der Typ1-Diabetes, der fast 5% der Diabetiker betrifft. Der Gestationsdiabetes, der in jeder 25. Schwangerschaft auftritt, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle und wird in einem gesonderten Podcast behandelt.

Genetik

Für Typ1 sowie für Typ2 Diabetes gilt, dass eine genetische Prädisposition für die Erkrankung vererbt wird. Die Erkrankung manifestiert sich aber erst, wenn zusätzlich ein auslösender Umweltfaktor auftritt. Bezogen auf den Typ1-Diabetes entfallen 50% des genetischen Risikos auf die HLA-Antigene DR3 bzw. DR4. Die genetische Komponente ist schwächer als beim Typ2- Diabetes. 20% der Typ1 Diabetiker haben eine positive Familienanamnese für Typ1- Diabetes. Der auslösende Umweltfaktor ist noch nicht bekannt. Diskutiert werden ein kälteassoziierter Faktor, Virusinfekte sowie Ernährungsfaktoren. Die genetische Komponente des Typ2 Diabetes wiegt schwerer: Ist ein eineiiger Zwilling Typ2-Diabetiker, hat der andere ein hundertprozentiges Risiko ebenfalls zu erkranken. Die hohe familiäre Penetranz der Erkrankung wird unter anderem der Vererbung des Lebensstils zugeschrieben. Ist ein Elternteil von Typ2- Diabetes betroffen, liegt das Risiko für das Kind bei 50%. Sind beide Elternteile Typ2- Diabetiker erkranken 60% der Kinder.

Ätiopathogenese

Ursächlich liegt dem Typ1 Diabetes in Form des Typ1a größtenteils eine T-lymphozytär-vermittelte, autoimmune Zerstörung der Beta-Zellen des Pankreas zugrunde. Beim seltenen Typ1b ist die Ursache des Untergangs der Beta-Zellen unbekannt. Schreitet beim Typ1a die chronische Insulitis fort, nimmt die Insulinsekretion ab, da Beta-Zellen zu Grunde gehen und dies nicht mehr durch die initiale Beta-Zellhypertrophie kompensiert werden kann. Fällt die Zahl der Beta-Zellen unter die kritische Masse von 20%, manifestiert sich der Diabetes.

Der absolute Insulinmangel führt in der Konsequenz zur Hyperglykämie. Ein klinisch relevanter Nebeneffekt des Insulinmangels ist der Wegfall der Hemmung der Lipolyse durch Insulin und die damit verbundene Ketonkörper-Produktion, wodurch es zu einer azidotischen Stoffwechsellage kommt.

Die Entstehung des Typ2-Diabetes wird durch Faktoren wie z.B. Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigt und häufig zusammen im Komplex mit dem Metabolischen Syndrom angetroffen.

Vier Faktoren spielen beim Typ2-Diabetes eine Rolle:

  1. am Anfang steht die Insulinresistenz der peripheren Gewebe;
  2. dazu kommt eine Störung der Insulinsekretion der Beta-Zellen des Pankreas,
  3. eine zu hohe Glucagon-Sekretion durch die A-Zellen
  4. sowie eine gesteigerte Apoptose der Beta-Zellen.

Der Körper versucht die initiale Insulinresistenz dadurch zu kompensieren, dass die Beta-Zellen hypertrophieren und mehr Insulin produzieren.

Durch das Überangebot an Insulin kommt es zur Down-Regulation der Insulinrezeptoren: ihre Dichte und Sensibilität nimmt ab. Dies verstärkt wiederum die Insulinresistenz. Das Insulin reicht nicht aus, um die Hyperglykämie zu verhindern. Ändert sich an der Insulinresistenz nichts, so führt diese Überlastung der Beta-Zellen zu ihrer Erschöpfung und zum Absterben. Meistens bleibt aber noch eine geringe körpereigene Restinsulinsekretion erhalten, die zumindest die Lipolyse und Ketonkörperbildung verhindert.

Pathophysiologischer Knackpunkt sowohl für den Typ1- als auch den Typ2-Diabetes ist die chronische Hyperglykämie mit ihren Folgen. Langfristig hoher Blutzucker fördert die Bildung von irreversibel nicht-enzymatisch glykierten Substraten. Sogenannte „advanced glycation end-products“ häufen sich an. Sie werden im Zusammenhang mit der Entstehung kardiovaskulärer Komplikationen gesehen.

Klinik

Die klassischen Hauptsymptome des Diabetes erklären sich aus der Hyperglykämie:

  • Polyurie,
  • Polydipsie und
  • Gewichtsverlust.

Dazu leiden Patienten oft unter Abgeschlagenheit, Müdigkeit und einem Leistungsknick. Weiterhin können Nebensymptome wie Wadenkrämpfe, Sehstörungen, Vigilanzprobleme und Hautprobleme auftreten. Potenzstörungen können die Folge eines frühen Gefäßschadens sein.

Komplikationen

Im klinischen Alltag nicht nur des Internisten allgegenwärtig sind die Komplikationen des Diabetes, die häufig Anlass einer Hospitalisierung sind. Hier sind akute Stoffwechselentgleisungen, die immer eine Differentialdiagnose beim bewusstlosen Patienten sein müssen, von chronischen Komplikationen, die Folgeerkrankungen bzw. Spätfolgen des Diabetes darstellen, zu unterscheiden.

Die hyperglykäme Stoffwechselentgleisung mündet beim Typ 1 Diabetiker meist in der Ketoazidose. Dagegen führt die Hyperglykämie des Typ 2 Diabetikers meist ins hyperglykämische, hyperosmolare Syndrom.

Die Problematik der Ketoazidose beim Typ1-Diabetiker resultiert aus 2 pathophysiologischen Mechanismen:

  1. Blutzuckerwerte über 250mg/dl bzw. 14mmol/L bewirken eine Plasma-Hyperosmolarität, die zur osmotischen Diurese mit Elektrolytverlust führt. Dadurch kommt es zur intra- und extrazellulären Dehydratation. Deren Fortschreiten führt zur Hypovolämie mit konsekutivem akutem prärenalem Nierenversagen und Volumenmangelschock.
  2. Die zweite Problematik besteht im Wegfall der Hemmung der Lipolyse durch den absoluten Insulinmangel. Die entstehenden Ketonkörper führen zur metabolischen Azidose. Diese sogenannte Ketoazidose verursacht den klassischen Acetongeruch und die Kussmaul-Atmung. Eine Pseudoperitonitis kann das Bild eines akuten Abdomens vortäuschen.

Bei einer Azidose kommt es zum Kalium-Shift. Der Körper schickt überschüssige extrazelluläre Wasserstoff-Ionen im Austausch für intrazelluläres Kalium in die Zellen. Hierdurch kommt es zur Hyperkaliämie. Beim Ausgleich der Azidose muss das Kalium engmaschig kontrolliert und im Verlauf substituiert werden, da sonst lebensbedrohliche Hypokaliämien auftreten können. Grundsätzlich sind die beiden Therapieziele:

  1. Rehydrierung. Dies erfordert äußerste Vorsicht, da aufgrund der massiven Volumenverluste bei zu schneller Rehydrierung ein Hirnödem droht.
  2. Blutzuckersenkung durch Insulingabe unter engmaschiger Kontrolle der Blutgase und des Kaliums.

Die hyperglykämische Entgleisung des Typ2-Diabetikers mündet dagegen in das hyperglykäme, hyperosmolare Syndrom. Die hohen Blutzuckerwerte des Typ2-Diabetikers entwickeln sich meist schleichend und gehen mit einer dramatischen Hyperosmolarität, ausgeprägter osmotischer Diurese und letztlich Volumenmangel einher. Aber: hier kann die noch vorhandene sehr geringe körpereigene Insulinproduktion die Lipolyse und Ketonkörperbildung hemmen und so verhindern, dass eine Ketoazidose entsteht.

Knapp zusammengefasst heißen die Therapieprinzipien auch hier: sehr vorsichtige Rehydrierung und noch vorsichtigere Insulinsubstitution zur Blutzuckersenkung.

Die zweite Form der akuten Stoffwechselentgleisung beim Diabetiker ist die Hypoglykämie. Sie wird auch als unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor diskutiert. Sinkt der Blutzucker unter eine individuell verschiedene, ungefähr bei einem BZ von 60mg/dl bzw. 3,3mmol/L anzusetzende Schwelle, so äußert sich der Glukosemangel zuerst in allgemeinem Unwohlsein. Dazu kommen autonome Symptome, die aus der vegetativen Gegenregulation resultieren. Dazu zählen Schwitzen, Zittern, Heißhunger und Herzklopfen. Besonders vulnerabel im Hinblick auf Glukosemangel ist das Gehirn, da die Glukose dessen einzige Energiequelle ist. Fällt der Blutzucker weiter, treten schließlich auch neuroglukopene Symptome wie z.B. Konzentrationsstörungen, affektive Veränderungen und Sehstörungen auf. Der Zustand kann bis hin zur Bewusstlosigkeit und Krämpfen fortschreiten. Die häufigsten Gründe für eine Unterzuckerung sind Fehlkalkulationen im therapeutischen Selbstmanagement, also eine Überdosierung von Insulin oder oralen Antidiabetika. Auch eine Hemmung der körpereigenen Gluconeogenese durch übermäßigen Alkoholgenuss kann zu einer Hypoglykämie führen.

Von enormer medizinischer und gesundheitsökonomischer Relevanz sind die chronischen Komplikationen des Diabetes. Die Schwachstelle des schlecht eingestellten Diabetikers sind die Gefäße. Hier manifestieren sich makroangiopathische und mikroangiopathische Komplikationen. Außerdem können Dyslipidämie, Fettleber und eine eingeschränkte Immunabwehr mit erhöhter Infektanfälligkeit chronische Folgekomplikationen des Diabetes sein.

Die diabetische Makroangiopathie mit früher Arteriosklerose manifestiert sich als koronare Herzerkrankung, pAVK und Schlaganfall. 55% der Diabetiker sterben an einem Herzinfarkt. Beim schlecht eingestellten Diabetiker kann die autonome Neuropathie zur sogenannten stummen Angina pectoris führen. Eine schlechte Stoffwechseleinstellung mit Hyperglykämie schädigt neben den großen Gefäßen auch die kleinen Gefäße, was sich als diabetische Mikroangiopathie manifestiert. Hier unterscheidet man drei Formen:

  1. Die früheste Manifestationsform der Mikroangiopathie ist die diabetische Retinopathie. Sieht man von Unfallfolgen ab, ist die diabetische Retinopathie der häufigste Grund für Erblindungen in der erwachsenen Bevölkerung in der westlichen Welt.
  2. Diabetische Nephropathie: 40% der Diabetiker sterben an terminalem Nierenversagen.
  3. Eine weitere mikroangiopathische Komplikation ist die diabetische Neuropathie. Sie tritt am häufigsten als periphere sensomotorische Polyneuropathie mit dem Frühsymptom des verminderten Vibrationsempfindens auf. Zudem kann eine autonome diabetische Neuropathie auftreten, die das vegetative Nervensystem betrifft.

Eine wichtige und häufige Komplikation ist das diabetische Fußsyndrom. Hier unterscheidet man den neuropathischen diabetischen Fuß vom ischämischen Fuß bei pAVK. Beide Formen treten beim Diabetiker gleich häufig auf, bzw. es gibt Überschneidungen bei sowohl vorliegender Makro- (pAVK) als auch Mikroangiopathie (Neuropathie).

Diagnostik

An einen Typ1-Diabetes sollte man immer dann denken, wenn sich ein Patient vor dem 40. Lebensjahr vorstellt, der sich seit kurzem schlapp fühlt, an Gewicht abgenommen hat, enormen Durst verspürt, literweise trinkt und große Mengen Urin ausscheidet. Der Typ2-Diabetes dagegen entwickelt sich oft schleichend und bleibt oligo-symptomatisch.

Der klinische Verdacht auf einen Typ2-Diabetes stellt sich daher meist erst durch Screening-Untersuchungen oder wenn bei einem älteren Patienten eine Spätkomplikation, z.B. ein Herzinfarkt oder eine Niereninsuffizienz, auftritt. Die Basisuntersuchungen umfassen die Anamnese und die klinische Untersuchung sowie Labortests. Für die Diagnose des Diabetes braucht man eine Blutzuckerbestimmung aus venösem Plasma, nicht aus dem kapillären Vollblut wie es für die Selbstmessung des Blutzuckers im Alltag genutzt wird.

Zudem kann der HbA1c-Wert zur Diagnostik herangezogen werden.

Die Blutzuckerwerte können außer auf einen Diabetes auch auf Vorstadien eines Diabetes in Form einer gestörten Glucose-Homöostase hindeuten. Die gestörte Nüchtern-Glucose und auch die gestörte Glucose-Toleranz stellen Risikofaktoren für die spätere Entwicklung eines Diabetes dar, können aber nicht mit einem Diabetes gleich gesetzt werden.

Bei Erfüllung eines der folgenden Kriterien steht die Diagnose Diabetes mellitus:

  • HbA1c ≥6,5%
  • Nüchtern-Blutzucker ≥126mg/dl bzw. ≥7mmol/L
  • Ein 2-Stunden-Blutzuckerwert beim oralen Glukosetoleranztest von ≥200mg/dl bzw. ≥11,1mmol/L
  • Typische Symptome wie Polyurie, Polydipsie und Gewichtsverlust in Verbindung mit einem Blutzucker von ≥200mg/dl bzw. ≥11,1mmol/L unabhängig von der Tageszeit bzw. einer vorherigen Nahrungsaufnahme.

Um nach der Diabetes Diagnose zwischen Typ1 und Typ2 Diabetes zu unterscheiden, sind zusätzlich zum klinischen Bild zwei Marker von Bedeutung.

  1. Autoantikörper: Sie haben rein diagnostischen und prognostischen Wert und sind nicht an der autoimmunologischen Zerstörung der Beta-Zellen beim Typ1- Diabetes beteiligt. Bei über 90% der Typ1-Diabetiker sind entweder anti- Glutamat-de-Carboxylase oder anti-Tyrosin-Phosphatase-2 Antikörper positiv. Darüber hinaus erkranken 20% der gesunden Personen, bei denen diese Autoantikörper nachgewiesen werden können, innerhalb der nächsten 5 Jahre an einem Diabetes.
  2. Zudem wird das C-Peptid bestimmt, um sich ein Bild von der Situation der körpereigenen Insulinproduktion zu machen. C-Peptid wird in äquimolaren Mengen mit Insulin ins Pfort-Ader-Blut abgegeben. Niedriges oder fehlendes C-Peptid weist auf einen Insulinmangel hin. Dies kann bei einem Typ1- Diabetes aber auch bei einem ausgebrannten Typ2-Diabetes der Fall sein. Überhöhte C-Peptidspiegel sind typisch für die Hyper-Insulinämie im Anfangsstadium des Typ2-Diabetes.

Ist die Diagnose eines Typ1-Diabetes gestellt, sollte immer auch an andere Autoimmunerkrankungen, wie z.B. die Hashimoto Thyreoiditis oder den Morbus Addison, gedacht werden. 20% der Typ1-Diabetiker leiden an poly-glandulären Autoimmun-Sydromen.

Diabetes mellitus bezeichnet eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des Kohlenhydratstoffwechsels, deren Gemeinsamkeit die chronische Hyperglykämie ist. Die Erhöhung des Nüchtern-Blutzuckers und der post-prandialen Blutzuckerwerte kommt dabei entweder durch das komplette Fehlen der körpereigenen Insulinproduktion und damit durch einen absoluten Insulinmangel zustande. Oder es liegt ein relativer Insulinmangel vor, d.h. die noch vorhandene körpereigene Insulinproduktion reicht aufgrund einer Insulinresistenz der peripheren Gewebe nicht aus. Das Insulin kann in diesem Fall nicht effizient genutzt werden, um die Normoglykämie zu erhalten. Nach der Ätiologie des Diabetes werden 4 Klassen unterschieden.

Klasse 1 erfasst den Insulinmangel-Diabetes subsummiert unter Typ1 Diabetes mellitus. Der Großteil der Typ1-Diabetiker zählt zum Typ1a-Diabetes, dem eine Autoimmunerkrankung zu Grunde liegt. Folge ist die Zerstörung der Betazellen des Pankreas und damit der absolute Insulinmangel. Eine Minderheit leidet an einem Typ1b-Diabetes mit idiopathischem Insulinmangel. Hier wird als Sonderfall auch der „latent autoimmun diabetes in adults“ eingruppiert.

Kategorie 2 beschreibt den Typ2-Diabetes. Er ist eine multifaktorielle Erkrankung, die initial mit einer peripheren Insulinresistenz beginnt. Diese führt dann im zweiten Schritt zur Erschöpfung der körpereigenen Insulinproduktion und mündet bei progredientem Verlauf in die Endstrecke eines Insulinmangeldiabetes.

Kategorie 3 umfasst eine große, heterogene Gruppe anderer Diabetesformen. Darunter fällt der „maturity-onset diabetes of the young“ als monogenetische, autosomal-dominant-erbliche Variante eines Beta-Zell-Defekts mit verschiedenen Subtypen.

Der Gestationsdiabetes, der das erstmalige Auftreten einer diabetischen Stoffwechsellage in der Schwangerschaft beschreibt, bildet die 4. Klasse.

Weltweit gibt es derzeit etwa 371 Millionen Diabetiker, d.h. 8,3% der Weltbevölkerung sind betroffen. Die größte klinische Relevanz besitzen dabei der Typ2-Diabetes, der ca. 95% der Fälle stellt, und der Typ1-Diabetes, der fast 5% der Diabetiker betrifft. Der Gestationsdiabetes, der in jeder 25. Schwangerschaft auftritt, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle und wird in einem gesonderten Podcast behandelt.

Für Typ1 sowie für Typ2 Diabetes gilt, dass eine genetische Prädisposition für die Erkrankung vererbt wird. Die Erkrankung manifestiert sich aber erst, wenn zusätzlich ein auslösender Umweltfaktor auftritt. Bezogen auf den Typ1-Diabetes entfallen 50% des genetischen Risikos auf die HLA-Antigene DR3 bzw. DR4. Die genetische Komponente ist schwächer als beim Typ2- Diabetes. 20% der Typ1 Diabetiker haben eine positive Familienanamnese für Typ1- Diabetes. Der auslösende Umweltfaktor ist noch nicht bekannt. Diskutiert werden ein kälteassoziierter Faktor, Virusinfekte sowie Ernährungsfaktoren. Die genetische Komponente des Typ2 Diabetes wiegt schwerer: Ist ein eineiiger Zwilling Typ2-Diabetiker, hat der andere ein hundertprozentiges Risiko ebenfalls zu erkranken. Die hohe familiäre Penetranz der Erkrankung wird unter anderem der Vererbung des Lebensstils zugeschrieben. Ist ein Elternteil von Typ2- Diabetes betroffen, liegt das Risiko für das Kind bei 50%. Sind beide Elternteile Typ2- Diabetiker erkranken 60% der Kinder.

Ursächlich liegt dem Typ1 Diabetes in Form des Typ1a größtenteils eine T-lymphozytär-vermittelte, autoimmune Zerstörung der Beta-Zellen des Pankreas zugrunde. Beim seltenen Typ1b ist die Ursache des Untergangs der Beta-Zellen unbekannt. Schreitet beim Typ1a die chronische Insulitis fort, nimmt die Insulinsekretion ab, da Beta-Zellen zu Grunde gehen und dies nicht mehr durch die initiale Beta-Zellhypertrophie kompensiert werden kann. Fällt die Zahl der Beta-Zellen unter die kritische Masse von 20%, manifestiert sich der Diabetes.

Der absolute Insulinmangel führt in der Konsequenz zur Hyperglykämie. Ein klinisch relevanter Nebeneffekt des Insulinmangels ist der Wegfall der Hemmung der Lipolyse durch Insulin und die damit verbundene Ketonkörper-Produktion, wodurch es zu einer azidotischen Stoffwechsellage kommt.

Die Entstehung des Typ2-Diabetes wird durch Faktoren wie z.B. Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigt und häufig zusammen im Komplex mit dem Metabolischen Syndrom angetroffen.

Vier Faktoren spielen beim Typ2-Diabetes eine Rolle:

  1. am Anfang steht die Insulinresistenz der peripheren Gewebe;
  2. dazu kommt eine Störung der Insulinsekretion der Beta-Zellen des Pankreas,
  3. eine zu hohe Glucagon-Sekretion durch die A-Zellen
  4. sowie eine gesteigerte Apoptose der Beta-Zellen.

Der Körper versucht die initiale Insulinresistenz dadurch zu kompensieren, dass die Beta-Zellen hypertrophieren und mehr Insulin produzieren.

Durch das Überangebot an Insulin kommt es zur Down-Regulation der Insulinrezeptoren: ihre Dichte und Sensibilität nimmt ab. Dies verstärkt wiederum die Insulinresistenz. Das Insulin reicht nicht aus, um die Hyperglykämie zu verhindern. Ändert sich an der Insulinresistenz nichts, so führt diese Überlastung der Beta-Zellen zu ihrer Erschöpfung und zum Absterben. Meistens bleibt aber noch eine geringe körpereigene Restinsulinsekretion erhalten, die zumindest die Lipolyse und Ketonkörperbildung verhindert.

Pathophysiologischer Knackpunkt sowohl für den Typ1- als auch den Typ2-Diabetes ist die chronische Hyperglykämie mit ihren Folgen. Langfristig hoher Blutzucker fördert die Bildung von irreversibel nicht-enzymatisch glykierten Substraten. Sogenannte „advanced glycation end-products“ häufen sich an. Sie werden im Zusammenhang mit der Entstehung kardiovaskulärer Komplikationen gesehen.

Die klassischen Hauptsymptome des Diabetes erklären sich aus der Hyperglykämie:

  • Polyurie,
  • Polydipsie und
  • Gewichtsverlust.

Dazu leiden Patienten oft unter Abgeschlagenheit, Müdigkeit und einem Leistungsknick. Weiterhin können Nebensymptome wie Wadenkrämpfe, Sehstörungen, Vigilanzprobleme und Hautprobleme auftreten. Potenzstörungen können die Folge eines frühen Gefäßschadens sein.

Im klinischen Alltag nicht nur des Internisten allgegenwärtig sind die Komplikationen des Diabetes, die häufig Anlass einer Hospitalisierung sind. Hier sind akute Stoffwechselentgleisungen, die immer eine Differentialdiagnose beim bewusstlosen Patienten sein müssen, von chronischen Komplikationen, die Folgeerkrankungen bzw. Spätfolgen des Diabetes darstellen, zu unterscheiden.

Die hyperglykäme Stoffwechselentgleisung mündet beim Typ 1 Diabetiker meist in der Ketoazidose. Dagegen führt die Hyperglykämie des Typ 2 Diabetikers meist ins hyperglykämische, hyperosmolare Syndrom.

Die Problematik der Ketoazidose beim Typ1-Diabetiker resultiert aus 2 pathophysiologischen Mechanismen:

  1. Blutzuckerwerte über 250mg/dl bzw. 14mmol/L bewirken eine Plasma-Hyperosmolarität, die zur osmotischen Diurese mit Elektrolytverlust führt. Dadurch kommt es zur intra- und extrazellulären Dehydratation. Deren Fortschreiten führt zur Hypovolämie mit konsekutivem akutem prärenalem Nierenversagen und Volumenmangelschock.
  2. Die zweite Problematik besteht im Wegfall der Hemmung der Lipolyse durch den absoluten Insulinmangel. Die entstehenden Ketonkörper führen zur metabolischen Azidose. Diese sogenannte Ketoazidose verursacht den klassischen Acetongeruch und die Kussmaul-Atmung. Eine Pseudoperitonitis kann das Bild eines akuten Abdomens vortäuschen.

Bei einer Azidose kommt es zum Kalium-Shift. Der Körper schickt überschüssige extrazelluläre Wasserstoff-Ionen im Austausch für intrazelluläres Kalium in die Zellen. Hierdurch kommt es zur Hyperkaliämie. Beim Ausgleich der Azidose muss das Kalium engmaschig kontrolliert und im Verlauf substituiert werden, da sonst lebensbedrohliche Hypokaliämien auftreten können. Grundsätzlich sind die beiden Therapieziele:

  1. Rehydrierung. Dies erfordert äußerste Vorsicht, da aufgrund der massiven Volumenverluste bei zu schneller Rehydrierung ein Hirnödem droht.
  2. Blutzuckersenkung durch Insulingabe unter engmaschiger Kontrolle der Blutgase und des Kaliums.

Die hyperglykämische Entgleisung des Typ2-Diabetikers mündet dagegen in das hyperglykäme, hyperosmolare Syndrom. Die hohen Blutzuckerwerte des Typ2-Diabetikers entwickeln sich meist schleichend und gehen mit einer dramatischen Hyperosmolarität, ausgeprägter osmotischer Diurese und letztlich Volumenmangel einher. Aber: hier kann die noch vorhandene sehr geringe körpereigene Insulinproduktion die Lipolyse und Ketonkörperbildung hemmen und so verhindern, dass eine Ketoazidose entsteht.

Knapp zusammengefasst heißen die Therapieprinzipien auch hier: sehr vorsichtige Rehydrierung und noch vorsichtigere Insulinsubstitution zur Blutzuckersenkung.

Die zweite Form der akuten Stoffwechselentgleisung beim Diabetiker ist die Hypoglykämie. Sie wird auch als unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor diskutiert. Sinkt der Blutzucker unter eine individuell verschiedene, ungefähr bei einem BZ von 60mg/dl bzw. 3,3mmol/L anzusetzende Schwelle, so äußert sich der Glukosemangel zuerst in allgemeinem Unwohlsein. Dazu kommen autonome Symptome, die aus der vegetativen Gegenregulation resultieren. Dazu zählen Schwitzen, Zittern, Heißhunger und Herzklopfen. Besonders vulnerabel im Hinblick auf Glukosemangel ist das Gehirn, da die Glukose dessen einzige Energiequelle ist. Fällt der Blutzucker weiter, treten schließlich auch neuroglukopene Symptome wie z.B. Konzentrationsstörungen, affektive Veränderungen und Sehstörungen auf. Der Zustand kann bis hin zur Bewusstlosigkeit und Krämpfen fortschreiten. Die häufigsten Gründe für eine Unterzuckerung sind Fehlkalkulationen im therapeutischen Selbstmanagement, also eine Überdosierung von Insulin oder oralen Antidiabetika. Auch eine Hemmung der körpereigenen Gluconeogenese durch übermäßigen Alkoholgenuss kann zu einer Hypoglykämie führen.

Von enormer medizinischer und gesundheitsökonomischer Relevanz sind die chronischen Komplikationen des Diabetes. Die Schwachstelle des schlecht eingestellten Diabetikers sind die Gefäße. Hier manifestieren sich makroangiopathische und mikroangiopathische Komplikationen. Außerdem können Dyslipidämie, Fettleber und eine eingeschränkte Immunabwehr mit erhöhter Infektanfälligkeit chronische Folgekomplikationen des Diabetes sein.

Die diabetische Makroangiopathie mit früher Arteriosklerose manifestiert sich als koronare Herzerkrankung, pAVK und Schlaganfall. 55% der Diabetiker sterben an einem Herzinfarkt. Beim schlecht eingestellten Diabetiker kann die autonome Neuropathie zur sogenannten stummen Angina pectoris führen. Eine schlechte Stoffwechseleinstellung mit Hyperglykämie schädigt neben den großen Gefäßen auch die kleinen Gefäße, was sich als diabetische Mikroangiopathie manifestiert. Hier unterscheidet man drei Formen:

  1. Die früheste Manifestationsform der Mikroangiopathie ist die diabetische Retinopathie. Sieht man von Unfallfolgen ab, ist die diabetische Retinopathie der häufigste Grund für Erblindungen in der erwachsenen Bevölkerung in der westlichen Welt.
  2. Diabetische Nephropathie: 40% der Diabetiker sterben an terminalem Nierenversagen.
  3. Eine weitere mikroangiopathische Komplikation ist die diabetische Neuropathie. Sie tritt am häufigsten als periphere sensomotorische Polyneuropathie mit dem Frühsymptom des verminderten Vibrationsempfindens auf. Zudem kann eine autonome diabetische Neuropathie auftreten, die das vegetative Nervensystem betrifft.

Eine wichtige und häufige Komplikation ist das diabetische Fußsyndrom. Hier unterscheidet man den neuropathischen diabetischen Fuß vom ischämischen Fuß bei pAVK. Beide Formen treten beim Diabetiker gleich häufig auf, bzw. es gibt Überschneidungen bei sowohl vorliegender Makro- (pAVK) als auch Mikroangiopathie (Neuropathie).

An einen Typ1-Diabetes sollte man immer dann denken, wenn sich ein Patient vor dem 40. Lebensjahr vorstellt, der sich seit kurzem schlapp fühlt, an Gewicht abgenommen hat, enormen Durst verspürt, literweise trinkt und große Mengen Urin ausscheidet. Der Typ2-Diabetes dagegen entwickelt sich oft schleichend und bleibt oligo-symptomatisch.

Der klinische Verdacht auf einen Typ2-Diabetes stellt sich daher meist erst durch Screening-Untersuchungen oder wenn bei einem älteren Patienten eine Spätkomplikation, z.B. ein Herzinfarkt oder eine Niereninsuffizienz, auftritt. Die Basisuntersuchungen umfassen die Anamnese und die klinische Untersuchung sowie Labortests. Für die Diagnose des Diabetes braucht man eine Blutzuckerbestimmung aus venösem Plasma, nicht aus dem kapillären Vollblut wie es für die Selbstmessung des Blutzuckers im Alltag genutzt wird.

Zudem kann der HbA1c-Wert zur Diagnostik herangezogen werden.

Die Blutzuckerwerte können außer auf einen Diabetes auch auf Vorstadien eines Diabetes in Form einer gestörten Glucose-Homöostase hindeuten. Die gestörte Nüchtern-Glucose und auch die gestörte Glucose-Toleranz stellen Risikofaktoren für die spätere Entwicklung eines Diabetes dar, können aber nicht mit einem Diabetes gleich gesetzt werden.

Bei Erfüllung eines der folgenden Kriterien steht die Diagnose Diabetes mellitus:

  • HbA1c ≥6,5%
  • Nüchtern-Blutzucker ≥126mg/dl bzw. ≥7mmol/L
  • Ein 2-Stunden-Blutzuckerwert beim oralen Glukosetoleranztest von ≥200mg/dl bzw. ≥11,1mmol/L
  • Typische Symptome wie Polyurie, Polydipsie und Gewichtsverlust in Verbindung mit einem Blutzucker von ≥200mg/dl bzw. ≥11,1mmol/L unabhängig von der Tageszeit bzw. einer vorherigen Nahrungsaufnahme.

Um nach der Diabetes Diagnose zwischen Typ1 und Typ2 Diabetes zu unterscheiden, sind zusätzlich zum klinischen Bild zwei Marker von Bedeutung.

  1. Autoantikörper: Sie haben rein diagnostischen und prognostischen Wert und sind nicht an der autoimmunologischen Zerstörung der Beta-Zellen beim Typ1- Diabetes beteiligt. Bei über 90% der Typ1-Diabetiker sind entweder anti- Glutamat-de-Carboxylase oder anti-Tyrosin-Phosphatase-2 Antikörper positiv. Darüber hinaus erkranken 20% der gesunden Personen, bei denen diese Autoantikörper nachgewiesen werden können, innerhalb der nächsten 5 Jahre an einem Diabetes.
  2. Zudem wird das C-Peptid bestimmt, um sich ein Bild von der Situation der körpereigenen Insulinproduktion zu machen. C-Peptid wird in äquimolaren Mengen mit Insulin ins Pfort-Ader-Blut abgegeben. Niedriges oder fehlendes C-Peptid weist auf einen Insulinmangel hin. Dies kann bei einem Typ1- Diabetes aber auch bei einem ausgebrannten Typ2-Diabetes der Fall sein. Überhöhte C-Peptidspiegel sind typisch für die Hyper-Insulinämie im Anfangsstadium des Typ2-Diabetes.

Ist die Diagnose eines Typ1-Diabetes gestellt, sollte immer auch an andere Autoimmunerkrankungen, wie z.B. die Hashimoto Thyreoiditis oder den Morbus Addison, gedacht werden. 20% der Typ1-Diabetiker leiden an poly-glandulären Autoimmun-Sydromen.

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Herold Innere Medizin 2015
Dr. med. Miriam Mergen Endokrinologie